Auf einen Blick:
Im Detail:
Die Versorgung eines kritisch kranken Neugeborenen ist für das erstversorgende Team immer eine Herausforderung. Dabei ist die Herzfrequenz der beste Parameter, um den klinischen Zustand eines Neugeborenen nach der Geburt zu beurteilen. Die Bestimmung der korrekten Herzfrequenz bereitet aber gerade in Anbetracht eines kritisch kranken Neugeborenen häufig Schwierigkeiten.
In einer Reanimationssituation muss rasch entschieden werden, ob Beatmungen ausreichend sind (HF>60/min) oder zusätzlich Herzdruckmassagen durchgeführt werden müssen (HF<60/min). Die Herzfrequenz ist hier der entscheidende Parameter für alle weiteren Maßnahmen.
Die rein klinische Beurteilung der Herzfrequenz führt dabei häufig zu Fehleinschätzungen. [1-3] Obwohl z.B. noch eine Zyanose, ein hypotoner Muskeltonus oder eine fehlende Spontanatmung klinisch zu beobachten sind, kann die Herzfrequenz sich schon nahezu normalisiert haben. Eine (womöglich ebenfalls gefährliche) Unterschätzung der Herzfrequenz ist in diesen Situationen häufig.
Durch Palpation lässt sich bei einem gesunden Neugeborenen der Puls an der Nabelschnur zumeist relativ gut tasten, in einer stressigen Reanimationssituation ist eine korrekte Bestimmung der Herzfrequenz durch Palpation jedoch deutlich schwieriger. Zudem hat sich gezeigt, dass eine verlässliche Bestimmung der Herzfrequenz über den Nabelschnurpuls nur bei einer Herzfrequenz von >100/min gut möglich ist. [2]
Nach den neuen Guidelines 2015 kann die Herzfrequenz initial am schnellsten und zuverlässig durch die Auskultation über der Herzspitze mit dem Stethoskop oder durch ein EKG-Monitoring beurteilt werden. [4]
Die Herzfrequenz kann im Verlauf einer Reanimation zwar auch relativ zuverlässig über ein modernes Pulsoxymeter angezeigt werden, mehrere Studien zeigen jedoch, dass gerade in den ersten Lebensminuten eine Ableitung der Herzfrequenz über ein EKG schneller und zuverlässiger gelingt als mittels einer Pulsoxymetrie. [5-9]
SIMCharacters empfiehlt daher für die Praxis:
Wir empfehlen seit vielen Jahren in unseren Trainings vor Ort den Einsatz eines EKGs für die Versorgung von kritisch kranken Neugeborenen. Wir freuen uns daher besonders, dass das EKG nun auch den Weg in die neuen Guidelines 2015 gefunden hat.
Bei Herzfrequenzwerten <60/min erleichtert und beschleunigt seine Verwendung die Entscheidung Herzdruckmassagen durchzuführen. Andererseits führt die zuverlässige Anzeige einer Herzfrequenz bei Werten >60/min, unabhängig vom übrigen klinischen Zustand des Kindes, zu einer deutlichen Beruhigung im Team und verhindert unter Umständen eine nicht notwendige Intensivierung der Maßnahmen (z.B. eine möglicherweise unnötige und letztlich mitunter mit Komplikationen verbundene Intubation). Gerade auch um den Reanimationserfolg und die Effektivität der durchgeführten Maßnahmen zu erkennen, ist ein effektives Monitoring der Herzfrequenz extrem hilfreich.
Die Verwendung eines Stethoskops zur Auskultation der Herzfrequenz sehen wir für die Versorgung eines kritisch kranken Kindes als problematisch an. In der Praxis erweist sich die korrekte Bestimmung der Herzfrequenz mit dem Stethoskop in einer stressigen Notfallsituation häufig als schwierig. Wann immer dies möglich ist, sollte daher einem EKG gegenüber der Auskultation mit dem Stethoskop eine höhere Priorität eingeräumt werden.
Wir empfehlen daher für die Versorgung eines kritisch kranken Neugeborenen, wann immer es möglich ist, primär ein EKG zu verwenden und - sobald die Zeit besteht - zusätzlich eine Pulsoxymetrie anzubringen. Bei einem nicht reanimationspflichtigen Neugeborenen kann das Monitieren der Pulsoxymetrie alleine ausreichend sein.
Die Integration eines effektiven Monitorings in einer Notfallsituation muss unbedingt regelmäßig trainiert werden, da es keine Banalität darstellt, sondern eine ineffektive Verwendung möglicherweise mehr Probleme und Verzögerungen bedeutet, als ohne Monitoring zu arbeiten.
Wird ein EKG-Monitoring jedoch effektiv eingesetzt, ist es von unschätzbarem Wert für die Versorgung eines kritisch kranken Neugeborenen.
Fazit
Die neuen Guidelines empfehlen nun erstmals die Verwendung eines EKGs für die Versorgung eines kritisch kranken Neugeborenen. Dies untermauert unsere seit vielen Jahren bestehende Forderung, alle Reanimationseinheiten für die Versorgung von kritisch kranken Neugeborenen flächendeckend mit modernen Vitalmonitoren auszustatten.
Literatur
*Hinweis: Der Inhalt der vom SIMCharacters-Team kommentierten Texte entspricht unserer persönlichen Meinung, die wir uns vor allem auf Grundlage unzähliger Trainings vor Ort in Kliniken jeder Größe gebildet haben. Da Theorie und Praxis nicht selten weit auseinander liegen, bemühen wir uns um pragmatische Ansätze und Lösungen für das Arbeiten in der täglichen Praxis.
Wir achten stets darauf, dass unsere Empfehlungen grundsätzlich dem neuesten Stand der Wissenschaft entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist und menschliche Irrtümer nie völlig auszuschließen sind, übernimmt SIMCharacters keine Haftung.
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*Hinweis: guidelines2015.com ist eine Website der SIMCharacters Training GmbH. SIMCharacters bietet Reanimationstrainings im gesamten deutschsprachigen Raum an. Mit dieser Seite möchten wir die Verbreitung der neuen Reanimationsguidelines unterstützen. Mit kommentierten Texten, die unsere Erfahrungen zum Thema Kinder- und Neugeborenenreanimation widerspiegeln, möchten wir die Umsetzung der neuen in die Praxis erleichtern. SIMCharacters Training übernimmt keine Haftung.
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